Kolumne anlässlich des schwierigen Aufstiegs 2001

"Liebeserklärung" an den FCM...          

Faszination 1. FC Magdeburg -  

Geschichte einer Leidenschaft bis heute

Sonnabend, 9.Juni 2001, 15.30 Uhr in der Magdeburger Innenstadt.

Die Sonne scheint, einige Familien mit Kindern sitzen am Springbrunnen beim Szenetreff Alex. Zwei Kinder, vielleicht 5 und 9 Jahre alt, schlecken ihr Eis mit missmutigem Gesicht.

 „Mama“, fragt der eine, „warum darf ich heute nicht zum Fußball, meine Kumpels sind doch auch alle da ?" "Seid ruhig", sagt die Mutter, "es reicht wenn Euer Vater Woche für Woche zum Fußball rennt."

Der Junge ist sauer, schleckt aber tapfer sein Eis. Dann sagt er zu sich, „wenn ich groß bin, dann brauche ich keinen mehr zu fragen !“.

15.46 Uhr, aus Richtung Cracau schallt der tausendfache Ruf TOOOOOR herüber, die Jungen schreckt auf, Tränen in den Augen.

Ein paar Leute schlendern vorüber, die Innenstadt ist wie ausgestorben. 

Zur gleichen Zeit sind über 20.000 Magdeburger Fans keine 2 km Luftlinie entfernt im Grube Stadion und peitschen ihren FC Magdeburg zum Sieg gegen den BFC Dynamo. Südländische Atmosphäre im Grube-Ground. Stimmung wie in einem Bundesligaspiel. Tatsächlich jedoch stehen sich hier zwei Teams der Oberliga Nordost, der 4. Spielklasse Deutschlands gegenüber. Es geht um den Aufstieg in die 3. Liga, der Regionalliga. 

Was geht hier vor, weshalb kommen so viele Leute zu einem Viertliga-Spiel ? 

Rückblende: 

Anfang der 70-er Jahre schickt sich ein Fußballteam der ehemaligen DDR an, die Herzen der Magdeburger und auch ganz Europas zu erobern. Geformt aus unzähligen Talenten des Magdeburger Bezirkes wuchs hier ein Team heran, das den legendären Mythos des 1. FC Magdeburg begründen sollte. Beseelt vom unsagbaren Kampfeswillen, gepaart mit fußballerischer Brillanz werden in den goldenen 70-er Jahren Titel wie am Fließband gesammelt. Drei Meistertitel, 3 FDGB Pokalsiege, und der alles überstrahlende Europapokalsieg am 8. Mai 1974 im Rotterdamer Cuip sind Ausdruck der Stärke dieses Teams. 

Ich selbst war damals 10 Jahre alt und bin das erste mal 1974, ich glaube gegen Stahl Riesa, mit meinem Vater zum FCM gegangen. Vom Spiel habe ich nicht viel mitbekommen, die Erwachsenen schrien und tobten, ich war damit beschäftigt, meine selbst gebaute FCM Fahne zu schwenken, kam aber nicht so recht zum Zuge, da das Stadion damals proppevoll war und man als kleiner Piefke nun mal nicht der größte ist.

In jener Zeit drehte sich in der Schule eigentlich nur alles um Fußball und den FCM. Nach der Schule sind wir zu Fuß von Alte Neustadt zum Grubestadion gelaufen um unsere Helden Pomme, Streich, Spari, Maxe Steinbach und und und... mal beim Training zu sehen. Wenn Oberligaspieltag war, war man schon den ganzen Vormittag hibbelig.

Schon Stunden vorher machten sich die Fans auf den Weg ins Heiligtum. Unvergessen für alle damals wie heute der Treffpunkt Käseglocke. Neben dem heutigen Parkplatz der Bördelandhalle befand sich der wilde FCM Fan-Schwarzmarkt. Was lagen da nicht alles für Schätze. Wimpel, Schals, Programmhefte von Europacupspielen, Oberligaauswärtsspielen, Anstecker .... und dann natürlich die wahren Highlights: Bundesligaprogramme, Schals, Sammelbilder...- Braunschweig, Hertha, Schalke, Bayern.. die weite Fußballwelt lag offen vor uns. Begehrliche Blicke - aber zu teuer. 

Die Massen strömten damals zu den Clubspielen, der Sonnabend als Familientag war geplatzt. Nach dem Abpfiffschnell nach Hause um ´Sport Aktuell´ zu sehen und die eigenen Lieblinge nochmals im TV zu bestaunen. In diesen Jahren entstand eine feste Verbundenheit zwischen den Magdeburgern und Ihrem Verein , dem FCM. Dieses wurde natürlich noch begünstigt durch den Umstand, das die Clubkicker von klein auf über Jahre beim Verein blieben und alle aus der näheren Umgebung kamen, viele kannte die Spieler als unmittelbare Nachbarn - oder aus den Betrieben, wo die Spieler zugegebenermaßen nur pro forma angestellt waren.

Die Legionärsmentalität der Fußballer der heutigen Zeit gab es damals noch nicht. Und das war auch gut so. Nur so konnte diese feste Verbindung Bevölkerung- Club entstehen und wachsen.

In jenen Tagen wie heute, war der Fußball für viele wie eine Droge, raus aus dem täglichen Einerlei. Im Stadion knisterte die Spannung und wie in einer Kurzschlussreaktion putschten sich die Fans gegenseitig hoch und bejubelten die Siege.

heute:

Aus jetziger Sicht und mit etwas Abstand betrachtet, waren es nicht mehr unbedingt die Siege eines Streich oder Pommerenke, nein, der Club selber als kollektive Suchtdroge war es, der die Massen stimulierte.

Der Club, das waren und sind die Fans, man wollte dazugehören und gemeinsam die Erfolge feiern und die Niederlagen beweinen.

Als in den 80ger Jahren dann die Erfolge ausblieben, wurden auch die Zuschauer spärlicher. Später, als die Bundesligaqualifikation verpasst wurde und der FCM in der Bedeutungslosigkeit zu versacken schien, waren es zunächst nur die Treuen der Treuesten, die bei Wind und Wetter zu den Spielen kamen und den Club auf seinem Weg zurück an die Spitze begleiteten. Doch mit wem man auch in jenen Jahren sprach, egal ob Abends in der Kneipe oder auf der Arbeit, alle schwärmten von Ihrem Club von früher.

Der FCM war und ist für viele Magdeburger ein Teil ihres Lebens gewesen. Er hatte sie begleitet wie eine treue Freundin - eine Liebe, die nie vergeht. In ihrem Herzen sind sie alle Clubfans geblieben - und das bis heute.

Unser FCM hatte in dieser Saison für bundesweite Furore gesorgt, unvergessen die Pokalschlachten gegen Köln, Bayern, KSC und Schalke. Und da waren sie wieder, die Fans aus Magdeburg und Umgebung, die wie in den alten Tagen ins Stadion strömten um ihren FCM siegen zu sehen.

Zurück zu den Wurzeln, für viele war es eine Rückbesinnung in die eigene Jugend. Und es sind nicht nur die älteren, die wiederkamen. Der Virus FCM grassiert auch unter den jüngeren , welche die glorreichen Zeiten selber nie miterlebten und nur aus den Erzählungen ihrer Eltern oder Freunde kennen dürften.

In den DFB Pokalspielen war es wieder da, dieses einmalige Fluidum in und um Magdeburg, wenn der FCM spielt. Die Karten für die Bayern und Schalke Spiele werden auf dem Schwarzmarkt gehandelt, die Symphatiekurve für den Club steigt ins Endlose. Der FCM ist dabei, verlorenen Kredit bei den Fans zurückzuholen.

Die Spiele gegen Bayern und Schalke zeigten allen deutlich, die Fans kamen um ihren Club zu sehen und nicht um die Bundesligaprofis zu bejubeln. 

WIR SIND DER CLUB , dieser legendäre Schlachtruf der Magdeburger Anhänger, aktuell wie vor 30 Jahren, sollte an diesem denkwürdigen 09.06.2001 und den Tagen danach zu neuem Leben erwachen.

In der Stunde der größten Not, als nicht nur die Regionalligalizenz sondern die Existenz des ganzen Clubs auf dem Spiel steht, ist es wieder da. Dieses WIR - Gefühl, die Verbundenheit der Magdeburger mit Ihrem Club, zeigt sich in diesen Tagen deutlicher den je. Eine Stadt, eine ganze Region rettet ihren FCM, und damit auch einen Teil ihrer Liebe und Träume. 

Über diese einmalige Rettungsaktion ist genügend berichtet wurden, ich möchte nur Danke sagen an alle, die dieses Wunder möglich machten. Die Tage im Juni 2001 werden in der Clubgeschichte einen historischen Platz einnehmen.

Ich wünsche mir, dass später einmal zu lesen sein wird, das in jenen Tagen der Grundstein für eine neue glorreiche FCM Zukunft gelegt wurde .

Der FCM auf Kurs Bundesligafußball, der Weg ist noch weit. Den Weg zurück in die Herzen der Magdeburger hat er längst wieder gefunden.

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Als die Fußballfans nach dem BFC-Spiel in die Stadt strömen, die Fahnen schwenken und ihre Schlachtgesänge den Dom erzittern lassen, leuchten die Augen des kleinen Jungen,  jubelnd das Eis in der Hand.

Die Mutter sieht ihren Sohn an und lächelt.

Mit Blau-Weißen Grüßen

Euer Clubmaxe

Die Printmedien überschlagen sich :

Im letzten Vergleich gesiegt

doch es musste ein jeder in bangen Minuten mithelfen

Freudenheulen, - ein Bild, dass in der Fußballwelt umging

Dritte Liga - Wir holen dich in die Stadt !

Bisherige Themen:

Heile Welt - Kinowelt (Saison 2000/2001)