Nun war
er also herangerückt, der Tag der ersten Mitgliederversammlung
nach der Beantragung der Insolvenz im Juni 2002. Aus Fankreisen
war vehement seit Monaten
eine solche MV gefordert worden. Insbesondere Ende 2002/Anfang
2003 war massiv Druck ausgeübt worden, um endlich Klarheit über
die Lage des wohl mit Dynamo Dresden und Jena populärsten
Ostkultclubs zu erhalten. Zu lange erschien den Fans die Hinhaltetaktik
des alten Übergangspräsidiums, zu nebulös die bizarren
Geschichten aus tausend und einer Nacht
über das Verschwinden des lange geheimgehaltenen
Hauptsponsors ins Nirwana. Nun, die Abordnung des M-FT,
bestehend aus Zille und Clubmaxe, harrte zusammen mit weiteren
192 Mitgliedern erwartungsvoll und frohen Mutes ob der Dinge die
da kommen sollten. Alle anderen M-FT’er waren leider beruflich
verhindert bzw. amüsierten sich mit niedlichen Karbolmäuschen
im Sanatorium Vogelsang (nicht wahr Wig ?).
Zuerst
trat Bernd Tiedge in die Arena. Eindrucksvoll ließ der Mann,
der sich in der schlimmsten Stunde des Clubs vor den Karren
spannte, vor den Mitgliedern das letzte Jahr Revue passieren.
Ja, er gab zu, einer der Gegner der Spielklasse Oberliga gewesen
zu sein, legte dar, wie die letzten verbliebenen Sponsoren
vehement die Oberliga forderten und er sich schließlich
vom Abenteuer Oberliga überzeugen ließ.
So wie dieser Mann am Donnerstagabend auftrat, so hätten
sich ihn viele Fans sicher öfter gewünscht. Mit jedem Wort hörte
man heraus, wie sehr dieser Mann, den es vor vielen Jahren als
junger Staatsanwalt nach Magdeburg verschlug, an unserem 1. FCM
hängt. Mit kritischen Worten ging Tiedge wie ein Torero auf
unseren Spezi Rudi Bartlitz los. Mit donnernden Applaus
der Anwesenden wurde Tiedge bedacht, als er die unseriöse
Berichterstattung der Volkstimme bezüglich der Querelen um die
Eintragung des Clubs im Vereinsregister nach überstandener
Insolvenz mit harschen Worten kritisierte. An Bartlitz als Chef
der Sportredaktion ließ Tiedge jedenfalls kein gutes Haar. Gut
gemacht Bernd!
Von Tiedge wurde auch recht eindrucksvoll geschildert, wie sich die
Suche nach Sponsoren gestaltete. Von Sponsoren war da die Rede,
die zunächst salbungsvoll versprachen, den Club auch weiter zu
unterstützen, die aber später nie wieder gesehen wurden. Von
zerschlagenem Vertrauen nach 13 Jahren Misswirtschaft und
sportlichen Pleiten war
die Rede, von einem Hauptsponsor, mit dem man zunächst wohl das
große Los gezogen haben schien (eine hohe sechsstellige Summe
stand im Raume), der dann aber Ende 2002 selber enorme
wirtschaftliche Probleme bekam.
Namen wurden nicht genannt. Wer die Magdeburger
Wirtschaftspresse im Frühjahr diesen Jahres verfolgte, mag sich
vielleicht seinen Teil dabei denken.
Anzumerken
an dieser Stelle ist, das ein Großteil der Anwesenden mit
gespannten Interesse der MV folgte, einige der Fans aber wohl
nichts anderes im Sinn hatten als alle 10 Minuten den Saal zur
Raucherpause ( incl. Bierchen ) zu verlassen.
Als nächstes
Highlight war der Mann angekündigt worden, der im letzten
dreiviertel Jahr wohl die wichtigste Rolle im Magdeburger Fußballtheater
spielte:
Vorhang
auf für: Andreas Kienast - der Mann der den FCM rettete!
Auf den
Bericht des Insolvenzverwalters waren alle gespannt, man
versprach sich Zahlen, Fakten und möglicherweise auch
einige Skandälchen.
Nun, nie kommt es so wie man es sich erhofft ! Herr Kienast,
ganz stilvoll, plauderte über das letzte Jahr mit einer
Leichtigkeit, die so manchen doch in Erstaunen versetzte. In
seiner ca. 7 Minuten-Rede kam eigentlich nichts neues rüber.
Lediglich zum Schluss horchten die Anwesenden auf. Da sollen vor
einigen Wochen zwei neue Forderungen aufgelaufen sein, die
bisher nicht zur Quote angemeldet waren. Beide Male trat dabei
der Insolvenzverwalter unserer insolvente FCM Sportwerbe GmbH
auf, zum einen mit 1,5 Mio € und zum zweiten mit 400.000 €.
Kienast erwähnte kurz, das er die 1,5 Mio € Forderung
niederschlagen werde. Zu den 400.00 € sagte er nichts.
Jedenfalls habe die Sportwerbe GmbH noch eine Einspruchsfrist
von 10 Tagen. Kienast jedenfalls geht davon aus, das dann auch
die letzten Beschränkungen des AG Magdeburg hinsichtlich des
FCM aufgehoben werden können.
Als nächster
trat unser neuer Präsident Ingolf Nitschke zu seinem ersten
Auftritt vor seiner
„Belegschaft“ ins Rennen.
Anstelle seiner ja mittlerweile schon fast Kultstatus
erreichenden grünen Weste diesmal im grauen Zwirn gekleidet,
trat Nitschke vors Pult. Schon mit den ersten Worten merkte
man, da stand ein Mann, dem jede Profilierung und Träumereien
fremd waren.
Nüchtern, fast schon eiskalt, zog Nitschke Bilanz, zeigte
gnadenlos wie es um den FCM aktuell nach der Insolvenz bestellt
ist. Bedrückende Bilder von Kriegsfolgen, zerstörten Häusern,
wurden mittels Projektor aufgezeigt. Schonungslos wurden die
Fehler der Vergangenheit und die jetzige Situation dargelegt.
Von aktuellen Geldsorgen, ca. 70.000 €
infolge offener Spielergehälter und Pokalprämien war da
die Rede. Ebenso davon, dass die Schlussrechnung vom
Insolvenzverwalter auch noch ausstehe.
Seine
erste Aufgaben definierte er in der Schaffung von
funktionierenden Strukturen, wie z. B. einer arbeitsfähigen
Geschäftstelle. In den nächsten Tagen stehen erste
Personalentscheidungen an, man werde sich zum Teil von Leuten
trenne, die langjährige Mitglieder sind. Klasse statt Masse, so
kann man es auch umschreiben. Von Transparenz und Offenheit als
Vorraussetzung für einen Aufschwung
war da die Rede.
Den vielen Fans, Mitgliedern und Sponsoren wolle er ein Gefühl
von Familie beim FCM vermitteln, den Club zur Nr. 1 in
Sachsen-Anhalt und unter die Top 10 der neuen Bundesländer führen,
von Bundesliga 2008 war jedenfalls nichts mehr zu hören.
Ein Mann
geht seinen Weg und will alte Zöpfe abschneiden. Ob er’s wohl
schafft ?
Nun, wenn man sich die Unternehmerkarriere
des Ingolf Nitschke so ansieht, traut man ihm auch hier
zu, Erfolg zu haben.
Fazit der
Mitgliederversammlung: Von Aufbruchstimmung
war nicht viel zu verspüren, eher von nüchternem
Realismus. Zu einem Fußballclub gehören aber auch Euphorie und
Leidenschaft. - Auch das kann ja noch werden Herr Nitschke.
Packen wir’s an!
BWG
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